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4. Punkt: Die Berufskollegs am Westring 201-213
Zwischen Nierenform und Rasterarchitektur - Architektur der 1950er Jahre

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Haupteingang zum Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung
Foto: E.Wührl (8/1991)

 


Unterschutzstellung als Baudenkmal

Die Untere Denkmalbehörde der Stadt Herne teilte in ihrem Bescheid vom 08.07.2002 mit, dass die Gebäude der Berufs- und Berufsfachschulen am Westring 201 - 213 mit sofortiger Wirkung in die Liste der Baudenkmäler der Stadt Herne eingetragen worden sind. Die Gebäude werden von dem Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung und dem Emschertal-Berufskolleg genutzt.
Was ist das Denkmalwürdige an diesem Gebäudekomplex?

 


Der Standort

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Luftbild: Regionalverband Ruhr, 2006

Die vier Hauptgebäude der heutigen Berufskollegs stehen mit ihrer Giebelseite zum Westring. Mit den Zwischentrakten bilden sie eine geschlossene Baufront zur Straße. Der Erweiterungsbau mit der Schmalseite zur Cranger Straße kam 1971 dazu. Das Weiterbildungszentrum aus dem Jahr 2000 befindet sich parallel dazu an der Ecke Cranger Straße und Westring. Der Bildungsstandort mit der Realschule Strünkede nordwestlich der Berufskollegs und dem Pestalozzi-Gymnasium westlich davon gelegen sind durch den Bahnhof Herne und den neu gestalteten Busbahnhof optimal an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen.
In den Jahren des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg bis in unsere jüngste Vergangenheit hat sich zwischen Westring und Harpener Weg bzw. Bismarckstraße und Cranger Straße ein Bildungszentrum mit teils regionalem Anspruch herausgebildet. Die Gebäude der heutigen Berufskollegs wurden an diesem Standort als erste Schulen zwischen 1951 bis 1955 an der damaligen Moltkestraße (heute Westring) errichtet. Es folgten die Realschule Strünkede 1966, die Sporthalle 1968, ein Erweiterungsbau für die Kaufmännischen Schulen 1971, das Pestalozzi-Gymnasium (1980) und schließlich das Weiterbildungszentrum im Jahre 2000 mit enger Anbindung an das Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung. Seit 1998 firmieren die Kaufmännischen Schulen unter der Bezeichnung Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung und die Gewerblichen Berufsschulen unter Emschertal-Berufkolleg.

 

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Der Gebäudekomplex der heutigen Berufskollegs mit der Moltkestraße ca. 1955.
Bauherr war die Stadt Herne
Foto: Stadt Herne

Der ca. 175 m lange Baukomplex der Berufs- und Berufsfachschulen erstreckt sich in nordwestlicher - südöstlicher Richtung parallel zum Westring. Im Jahr 1970 wurde der Westring zur Entlastung der Herner Innenstadt als vierspurige Straße dem Verkehr übergeben. Der Westring ermöglichte somit, den Durchgangsverkehr aus der Innenstadt herauszunehmen. Die Verkehrsverlagerung war notwendig geworden, da die Motorisierungswelle seit der zweiten Hälfte der 1950er Jahre das städtische Leben an der Bahnhofstraße, die zugleich Bundesstraße war, zunehmend lähmte. Die Bahnhofstraße wurde zu einer ca.1 km langen Fußgängerzone in den Jahren 1974-1976 umgewandelt (s. Punkt 5 HERNE). Allerdings brachte diese Verkehrsverlagerung einige Nachteile für die Schulen am Westring: Der Unterricht wird seither durch Lärm und Abgase begleitet; außerdem stellt der Westring (B51) eine verkehrsgeographische Barriere zur Innenstadt und zum schulischen Nebengebäude in der Manteuffelstraße dar. Eine verkehrswidrige Überquerung ist für Schüler und Lehrer sehr risikoreich.

Das langgestreckte Schulgebäude mit seinen Zwischentrakten wurde auf dem Gelände des Sportplatzes "Germania" errichtet. Der südliche Teil des Gebäudes bildet mit dem Gebäude D, dem Erweiterungsbau sowie dem Weiterbildungszentrum die westliche bauliche Begrenzung des Bahnhofsvorplatzes mit Busbahnhof, dem heutigen Konrad-Adenauer-Platz. Es gehört zum damaligen Modernitätsbegriff, dass der Mensch zukünftig mobil zu sein hat. Der Schulstandort am Herner Bahnhof zeichnet sich durch seine optimale Verkehrslage aus, die die Voraussetzung für die Unterbringung von Bezirksfachklassen erst ermöglicht. Im Laufe der Zeit sind die Verkehrsanbindungen immer besser geworden und zwar durch die U-Bahn, S-Bahn, Busverbindungen und durch den Individualverkehr (Herner Autobahnkreuz, Westring).

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Der Schulkomplex nach seiner Fertigstellung 1951 und 1956
Fotos: Stadt Herne

Der Schulkomplex war eingebettet in eine breite Grünzone, die die Innenstadt mit dem grünen Umland verband. Die Grünflächen (teils mit nierenförmigem Grundriss) vor als auch hinter der Schule wurden mit zunehmender Motorisierung (Ausbau der Moltkestraße zum vierspurigen Westring und Lehrerparkplätze) stark beschnitten.


Die Architektur der 1950er Jahre

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Die flachen Zwischentrakte schirmen den
schulischen Bereich von dem der Öffentlichkeit ab.

Foto: Stadt Herne

Der 175 m lange Baukörper wird durch vier Hauptgebäude und drei Mitteltrakte, die diese miteinander verbinden, gegliedert. Repräsentative Freitreppen führen in die vier Hauptgebäude, die mit ihren gläsernen Giebelseiten zum Westring ausgerichtet sind und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich ziehen. Ihre geringe Geschosszahl (zweigeschossig zum Westring, dreigeschossig zu den Schulhöfen) bewahren im Gegensatz zu den nüchternen "Lernfabriken" der späteren 1960er und 1970er Jahre menschliches Maß, Bodenständigkeit und Überschaubarkeit. Dank der Weitsicht der städtischen Architekten Dr. Kurt Hubert Vieth und Dr. Ing Hermann Haase-Kiewning sind die Unterrichtsräume vor den Belästigungen des bereits damals zu erwartenden Verkehrsaufkommens heute abgeschirmt, während die Räume für Verwaltung, Toiletten und Verbindungsflure zur Straßenseite liegen. Die Stellung der vier Hauptgebäude mit ihrer Giebelseite zur Straße ermöglicht auch eine Aufteilung der dahinter liegenden Fläche zu drei übersichtlichen Schulhöfen, die der Vermassung entgegentreten. Dennoch sind die Schulhöfe mit einem Fuß- und Fahrweg untereinander verbunden.
Mit der giebelseitigen Ausrichtung der Hauptgebäude zur Straße wurde die für unsere Industriestädte so typische Blockrandbebauung der Vorkriegszeit überwunden (s. Punkt 3 HERNE) und eine aufgelockerte Bebauung mit viel Grün zwischen den Gebäuden favorisiert. Dieses städtebauliche Konzept fand seine konsequente Umsetzung bei Wohnsiedlungen wie z.B. dem Elpes- und Pantringshof. Bei dem hier vorliegenden Schulkomplex erinnern die Mitteltrakte mit ihren kleinen Fenstern noch an eine geschlossene Randbebauung. Diese "halbherzige" Umsetzung des neuen städtebaulichen Konzepts liegt in der Nutzung der Gebäude begründet und ist planerisch gewollt. Der Schulkomplex grenzt sich zwar mit seiner geschlossenen Front von den "fragwürdigen" Einflüssen der Öffentlichkeit ab (Innenstadt und dem Bahnhof), lenkt den Besucher aber über die vier Hauptportale und den sich sofort anschließenden Verwaltungsbereich (Sekretariat, Schulleitung) zu den Klassenräumen und schafft damit einen kontrollierten Zugang, einen Filter, zwischen uneingeschränkter Öffentlichkeit und pädagogischem "Schonraum".

 

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Innen wie außen: klar, sachlich, leicht und ehrlich als Prinzip des modernen Bauens
Foto: Stadt Herne
Foto: E. Wührl (8/1991)

Die Architektur besticht durch ihre Kombination aus Moderne und Tradition. Modern ist die Verwendung der Baumaterialien Stahl, Glas und Beton, die offen zur Schau gestellt werden. Historisierender Fassadenschmuck (siehe Punkt 5 HERNE) wurde von den Vätern des Neuen Bauens (Walter Gropius, Mies van der Rohe) abgelehnt. Klar, sachlich, transparent, leicht und ehrlich sind die Prinzipien modernen Bauens, die die Architekten bei diesem Schulgebäude umsetzten. Nicht wulstiger Fassadenschmuck (Kulissenarchitektur), sondern transparente Glasfassaden mit filigranen Stahlfensterrahmen überzeugen innen wie außen. Getragen und gegliedert wird der Gebäudekomplex von einem Stahlbetonskelett, dem das Raster als Stilelement zugrunde liegt (Rasterarchitektur). Die Stahlskelettbauweise mit ihren ausgemauerten Gefachen steht für den Übergang der handwerklichen zur industriellen Baufertigung. Gesellschaftspolitisch betrachtet schafft sie die Voraussetzung für demokratisches Bauen: Alle Räume sind gleichrangig. Modern ist auch die bewusste Zurschaustellung der technischen Versorgungseinrichtungen im Untergeschoss der Gebäude. Versorgungsleitungen werden somit zu Bestandteilen des plastischen Baukörpers, denen durch farbliche Gestaltung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden könnte (s. Klinikum in Aachen oder Centre Pompidou in Paris).
Die Rasterarchitektur findet durch traditionalistische Bau- und Stilelemente eine gewollte Spannung: die schon erwähnte niedriggeschossige Bauweise, die Verwendung von heimischen und regionalen Baumaterialien wie den Klinkerwänden und dem Naturstein als Bodenbelag in den Zwischentrakten sowie Tuffsteinplatten an den Fassaden. Traditionellen Werten, Motiven und Formen ist auch die insgesamt sparsame Kunst am Bau verpflichtet. Der Wandschmuck im Gebäude A thematisiert die Lehrfächer "Familienkunde", "Gesundheitskunde" "Ernährungskunde" und "Pflegekunde". In der hofseitigen Pausenhalle des Gebäudes D schlängelt sich auf einer mit Glasmosaiken verkleideten Säule eine Schlange. Die mäandrierenden Formen der Schlange werden in dem Treppengeländer des gesamten Gebäudekomplexes wieder aufgenommen.


Wie gefährdet ist die Architektur der 1950er Jahre?

Die Fünfziger-Jahre-Architektur kommt in die Jahre und damit kommen auch die unausbleibenden Bauschäden. Verständlicherweise entsprechen diese Bauten nicht mehr dem aktuellen technischen Stand der Wärmeschutzbestimmungen, der Schallisolierung usw. Vor allem die Umsetzung der Brandschutzverordnung im Jahr 1999 hat die pädagogischen Intention der Architektur in Frage gestellt: Da nicht alle Oberlichter in den Fluren aus finanziellen Gründen mit Sicherheitsglas ausgestattet werden konnten, wurden einige von ihnen zugemauert und andere verkleinert, so dass das natürliche Licht in den Fluren nicht mehr ausreicht. Nachdem auch die Vitrinen im ersten und zweiten Geschoss mit Rigips-Platten verkleidet werden mussten, wurden aus den Fluren im Gebäude D trostlose Gänge.

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Breite Holzfensterrahmen in der Wohnung des Hausmeister im Gebäude A verändern den Charakter des Gebäudes
Das für den Rauchabzug notwendige neue Fenster wurde inzwischen farblich angepasst.
Foto: E.Wührl (11/1991)
Foto: E.Wührl (9/1999)

Architektur der 1950er Jahre steht für den Wiederaufbau und die Demokratisierung der Gesellschaft und ist damit ein wichtiges Dokument der Geschichte der Bundesrepublik. Modernität, Transparenz und demokratisches Bauen waren angesagt. Versteht man Architektur als eine in Stein gebaute Sozialform, so bedarf es eines sensiblen Umgang mit dieser ersten Kulturepoche der Bundesrepublik. Insofern ist die Unterschutzstellung des Gebäudekomplexes seitens der Stadt Herne im Jahr 2002 nur zu begrüßen.


Literatur:

Wührl, Engelbert: Nierenform und Rasterarchitektur.
Architektur- und zeitgeschichtliche Beschreibung der Berufs- und Berufsfachschulen am Westring. In: 25 Jahre Kaufmännische Schulen der Stadt Herne (1966-1991), hg. v. den Kaufmännischen Schulen der Stadt Herne, Herne 1991, S.24-58

Autoren:
Isabel Perez (KAFM), Yvonne Piwowar (KAFM), Markus Ehm (12 GOST), Rafael Zalewski (12 GOST) und Engelbert Wührl

Auszeichnungen

Europaschule

Zukunftsschulen NRW

Schule ohne Rassismus

ggesundeschule off

Berufsorientierung

Anmeldung eLearning
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Schulrecht
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