3. Punkt: Vom Brauhaus zur "Neuen Mitte Eickel"
Foto: Stadt Herne oben: Hülsmann Brauerei mit Sudhaus (links vom Kamin) in den 1960er Jahren rechts: Blick vom Sudhaus auf die neue Wohnbebauung nach Norden mit dem E.on-Kohlekraftwerk und dem ehem. Schacht Blumenthal XI (ehemals Shamrock 3/4) neben dem linken Kamin |
(Foto: E. Wührl 12/1997) |
1. Standort und Orientierung
Karte Stadt Herne, 1 : 15000 (11/2004) |
Vom Wanne-Eickeler Hbf mit der Straßenbahn 306 Richtung Bochum, Ausstieg Eickeler Markt.
Vom Herner Bf mit dem Bus 390 bis Eickeler Markt. Mit dem Pkw: Von Wanne- Eickel Hauptbahnhof aus: Die Berliner Straße in Richtung Gelsenkirchen, links abbiegen auf die Hauptstraße Richtung Bochum bis zum Markt auf der linken Seite. |
2. Die Geschichte der Hülsmann-Brauerei
Die Geschichte der Hülsmann-Brauerei reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück. Den Grundstein legte die Brauerfamilie Middeldorp um 1486, die neben der Landwirtschaft ihr eigenes Bier braute. Im Jahre 1692 wurde die Brauerei unter dem Namen "Markmannscher Kotten" erstmals in den Eickeler Kirchbüchern erwähnt.
Im Jahr 1852 kam es zu einer Namensübernahme, da die Witwe Luise Markmann Heinrich Hülsmann heiratete, der das Unternehmen erfolgreich weiterführte. Siebzehn Jahre später wurde ein großes massives Brauhaus errichtet. Somit wurde die Brauerei die erste Dampfbierbrauerei in Westfalen. Sie war eine Exportbierbrauerei, die auch 18% Bockbier produzierte. 1912 bis 1914 erbaute man das große Sud- und Treberhaus.
Fotos oben und unten: Stadt Herne |
(Foto: E. Wührl 2/2006) |
Oben: Blick auf die Verladerampe zu Beginn des 20. Jahrhunderts. |
Als Hülsmann 1913 eine jährliche Produktion von 100.000 hl erreichte, wurde sein Betrieb in den Kreis der Großbrauereien aufgenommen.
Im Zweiten Weltkrieg zerstörten 65 Bomben die Brauerei fast völlig. Dies war ein herber finanzieller Rückschlag des bis dahin relativ wohlhabenden Unternehmens. Vorrübergehend musste der Betrieb eingestellt werden. In den Jahren danach kam das Unternehmen nie wieder richtig in Fahrt. Es wurde vergebens versucht, neue Kunden zu finden, indem man kleinere Festivals, z.B. am Tag der offenen Tür organisierte. Es wurde sogar die Produktion variiert, indem die Brauerei verschiedene Biersorten und nicht-alkoholische Getränke, zu denen auch Bluna und Afri Cola gehörten, herstellte. 1988 kam Hoffnung für die Traditionsbrauerei auf, da ein holländischer Investor bereit war, ca. 2.5 Mio. € zu investieren.
Doch der Investor war in einen Geldskandal verwickelt und der Deal platzte. Daraufhin wurde ein Jahr später die Hülsmann-Brauerei geschlossen.
Da die wirtschaftliche Entwicklung des Stadtteils Eickel eng mit der Hülsmann-Brauerei zusammen hing, verlor Eickel an Prestige und Attraktivität. Andererseits bot sich die einmalige Gelegenheit für die Stadtplaner, die zentrale Lage der Industriefläche einer neuen städtebaulichen Funktion zuzuführen.
Bierglas mit Bezug zur heimatlichen Tradition |
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Foto: E. Wührl |
Eine umfangreiche Sammlung von Objekten der Hülsmann-Brauerei befindet sich im Museum Unser Fritz (Punkt 12 WANNE)
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Foto: Stadt Herne |
3. Die "Neue Mitte Eickel"
Luftbild: Regionalverband Ruhr (2006)
Die neue Wohnsiedlung für kinderreiche Familien wird der städteplanerischen Forderung nach einer Revitalisierung der Innenstädte gerecht. Auf dem ehemalige Brauereigelände der Hülsmann-Brauerei steht nur noch das denkmalgeschützte Sudhaus.
Im Jahr 1990 erwarb die Stadt Herne das ehemalige Brauereigelände der Hülsmann-Brauerei. Teile der nicht nutzbaren Gebäude wurden abgerissen, jedoch das sehenswerte Sud- und Treberhaus unter Denkmalschutz gestellt. Zwei Jahre später meldete die Stadt das Gelände bei der IBA (Internationale Bauausstellung Emscher Park) an, die sich zum Leitziel gesetzt hat, die Emscherzone ökologisch, ökonomisch und sozial zu erneuern. So bot sich im Rahmen der städtebaulichen Erneuerung an, das ehemalige Brauereigelände für sozialverträglichen Wohnungsbau zu nutzen. Im Jahr 1995 konnte der Bau der "Neuen Mitte Eickel" beginnen. Schon ein Jahr danach konnte das Bürgerzentrums Eickel in das restaurierte Sud- und Treberhaus einziehen. Zum Bürgerzentrum gehören städtische Dienststellen, wie z.B. das Sozial-, Jugend-, Bürger- und Einwohnermeldeamt sowie die Stadtbücherei und eine Gastronomie. Nach der Fertigstellung des Projektes wurde 1997 die "Neue Mitte" offiziell eingeweiht. Die Kosten der Gestaltung der "Neuen Mitte Eickel" und des "neuen" Bürgerzentrums Eickel im ehemaligen Sud-/Treberhaus der Hülsmann-Brauerei beliefen sich auf ca. 4 Mio. €.
Im Jahre 1995 begann der Bau eines neuen Wohngebietes inmitten von Eickel. Es wurden 87 Wohnungen, 73 Parkplätze, 1 Tiefgerade und 2 neue Straßen gebaut, der Hülsmannweg und der Brauwasserweg. Die Namensgebung für den Brauwasserweg geht auf einen 20 m tiefen Brauwasserbrunnen der Hülsmann-Brauerei zurück, der sich hier befunden hat. Das städtebauliche Planungsziel war es, die Innenstädte für die Wohnbevölkerung durch Bereitstellung sozial- und umweltverträglicher Wohnungen wieder zu beleben, um auf diese Weise die Stadtflucht zu den grünen Randgebieten der Ballungsräume zu bremsen. Speziell junge Familien sollten in die Neubauwohnungen einziehen. Der Wohnstandort für diese Zielgruppe ist optimal, da eine nahegelegene Grundschule und Kindertagesstätte am Brauwasserweg vorhanden sind.
Foto: E Wührl (2/2006)
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Foto: E Wührl (2/2006)
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Rechts neben dem Sudhaus (nicht auf dem Foto) befindet sich das |
Frei werdende Industrie- und Gewerbeflächen, die in Zentrumsnähe liegen, bieten den Stadtplanern die Chance, die Innenstädte durch gemischte Nutzung (Wohnen, Arbeiten Freizeitgestaltung usw.) wiederzubeleben. Beispiele für Herne sind die neue Mitte Eickel und Sodingen |
4. Das Dorf Eickel
Bereits um 774 wird in einer Schrift auf Baumrinde eine Burg Eclo (Eichenwald) erwähnt. Das Dorf Eickel hat seinen Namen vermutlich von dem Flurnamen "Eicklo" ("eck" = Eiche und "loh" = Wald, also Dorf im Eichenwald), der in einer Urkunde von 1085 vorkommt. In dem Urbar E der Benediktinerabtei Werden an der Ruhr wird um 1150 ein steuerpflichtiger "Wicbertus in Eclo" aufgeführt. Der Oberhof (curia) "E(i)kelo" untersteht dem Abt des Benediktinerklosters St. Pantaleon in Köln. Der Oberhof, der auch den Titel Schultenhof trägt, findet sich in den Vogteirollen des Stiftes Essen aus den Jahren um 1220 und 1225 ("Echilo" genannt). Außerdem ist der bedeutsame Hof in dem Schatzbuch der Grafschaft Mark im Jahr 1486 unter der Bezeichnung "Ekell" aufgeführt. Auch in den Türkensteuerlisten des märkischen Amtes Bochum sind 1542 und 1598 wird der "Schulte tho Eickel" neben vielen anderen abgabepflichtigen Höfen und Köttern aufgeführt. Während der napoleonischen Besatzungszeit gehörte Eickel zur Mairie (=Bürgermeisterei) Herne. Die weitere administrative Entwicklung Eickels wird im Punkt 16 WANNE ausführlich dargestellt. Der Oberhof stand mit seinem Hauptgebäude auf dem Grundstück Königsstraße 13. Die Straße Schultenhof erinnert an die herausgehobene Bedeutung des Hofes: Der Hofpächter wurde von seinem Lehnherrn, dem Abt des Klosters St. Pantaleon, beauftragt, sämtliche Abgaben von den ihm unterstellten Höfen einzutreiben und ordnungsgemäß an das Kloster abzuführen. Dafür erhielt der Pächter den Titel Schulte (villicus), der ihn berechtigte in Abwesenheit des Lehnherrn die niedrige Gerichtsbarkeit auszuüben. Die adligen Schulten nannten sich "de Eicklo", z.B. Hinricus de Eicklo um 1225.
Das mittelalterliche Kirchspiel Eickel, zu dem auch Baukau und das adlige Gut Dahlhausen in Hordel gehörte, besaß zwölf Burgstätten. Fünf davon waren in Eickel. Allerdings ist keine dieser Wasserburgen erhalten geblieben: das Gut Gosewinkel, das Haus Dorneburg, das Herrenhaus Bönninghausen, das Gut Nosthausen und das Rittergut Haus Dahlhausen, das heute zu Bochum-Hordel gehört. Die Lage der Herrenhäuser kann auf der Sanson-Karte von 1662 nachgesehen werden (Punkt 14 WANNE). Mittels der Straßennamen werden wir an sie erinnert: Die Bönninghauser Straße und die Burgstraße z. B. verweisen auf das adlige Haus Bönninghausen, das in der Burgstraße 75 stand. Im Verzeichnis der Güter des Offiziums Wattenscheid wird im Jahre 1411 in villa Boninchusen ein zinspflichtiger Hermanns von Bonynchusen erwähnt. Das im Zweiten Weltkrieg durch Bombenabwurf schwer geschädigte Haus wurde 1960 mit dem noch erhalten gebliebenen Wachtturm abgetragen. Der 6,80 m hohe und 6 x 6 m breite Wehrturm stammte vermutlich aus dem 14. Jahrhundert.
Foto: Stadt Herne
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Foto: Stadt Herne
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Herrenhaus Bönninghaus um die Wende 19./20. Jh.
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Herrenhaus Dorneburg um die Wende 19./20. Jh.
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5. Das Wappen von Wappen Eickel
6. Die Johanneskirche
Fotos: E. Wührl (2/2006)
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7. Der Eickeler Markt
Foto: E.Wührl (2/2006)
Der Eickeler Markt nach Abschluss der Neugestaltung im Jahr 1998. Die postmoderne Architektur auf der rechten Seite erinnert mit ihrem Arkadengang an das geschäftige Treiben auf dem mittelalterlichen Markt.
An dem Eickeler Markt hat die Johanneskirche bis zum Jahr 1890 gestanden, die Johannes dem Täufer gewidmet war. Eine Urkunde aus dem Jahr 1321 berichtet von den "Rektoren der Kapelle zu Eyclo".
Eine Tafel des Heimatvereins berichtet über die Jahrmärkte:
"Der Eickeler Markt erinnert an den alten Dorfkern Eickels.[...] 1750 fanden im Kirchenspiel Eickel 3 Jahrmärkte statt, nämlich zu den Festen Maria Verkündung 25.3., Maria Geburt 8.9. und zum St. Michaelistag 28.9. Am 25. April, 28. Juni und 29. September veranstaltete man Kram- und Viehmärkte, verbunden mit einem Zwiebelmarkt. Nach Aufhebung der Krammärkte im Jahre 1907 und Einführung von drei weiteren Viehmärkten fanden diese alle zwei Monate statt. Heute werden die Wochen- und Viehmärkte auf dem benachbartem "St. Jörg-Platz" abgehalten."
Aus den Akten des Kriegsarchivs in Wien (K II f.2 und 3) geht hervor, dass in dem Kirchspiel Eickel im Jahr 1795 vorhanden waren:
86 Häuser in Eickel, 51 in Bickern, 44 in Holsterhausen und 30 in der Freiheit Crange. 211 Häuser hatte Eickel, demnach - je 5 Personen auf ein Haus gerechnet, rund 530 Einwohner. Das erste Einwohner-Adressbuch erschien im Jahre 1898 (... Die Zahl der Einwohner war damals bereits auf 16.663 gestiegen (nach Keinhorst S. 54 u. 74).
Brunnenanlage auf dem Eickeler Markt
Jugendstilfigur mit wilhelminischer Kaiserkrone hat der Münchener Bildhauer L. Schwind geschaffen.
(Foto: Stadt Herne) |
Der Schlussstein des barocken Torbogens ziert das Hülsmann-Emblem
(Foto: E. Wührl 2/2006) |
oben rechts u. unten links: Nur wenige Fassaden des Historismus haben den Zweiten Weltkrieg überlebt.
(Foto: E. Wührl 2/2006) |
Unten rechts: Platzkonzert anlässlich der Feier der Stadtwerdung auf dem Eickeler Markt 1926 mit der Hülsmann-Brauerei im Hintergrund (Punkt 16 WANNE)
(Foto: Stadt Herne) |
Was ist ein Platz ohne ein Denkmal oder einen Brunnen?! Anlässlich des Sieges über Frankreich 1871 pflanzten die Eickeler Bürger auf ihrem Markt zunächst eine Friedenseiche, der bereits vier Jahre später ein Krieger- und Siegerdenkmal folgte (Einweihung am 18.10.1875). Das Denkmal trug die Inschrift: "Die Gemeinde Eickel, Bickern und Röhlinghausen ihren in dem Feldzug von 1870/71 gefallenen Söhnen".
Das Kriegerdenkmal wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Rahmen einer Neugestaltung des Marktes in den Volksgarten umgesetzt.
Die Idee zur Verschönerung des Marktplatzes hatte der Amtmann Berkermann, das Geld für einen Marktbrunnen und eine Brunnenfigur erbrachte ein Volksfest im Jahre 1907, so dass der Auftrag an den Münchener Bildhauer Lorenz Schwind erteilt werden konnte. Die feierliche Einweihung fand am 13.11.1909 statt. Leider wurde die Brunnenfigur im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen, um im Rahmen der "Metallspendeaktion" Waffen und Munition herzustellen. Im Jahr 1960 verschwand auch der Sockel und der Brunnen, der bei der Umgestaltung des Platzes zum Parkplatz hinderlich war. Bei dem Abriss des Sockels entdeckte man 6,65 Mark: einen Taler von Wilhelm II. von 1909, Zweimarkstück von Wilhelm I. von 1877, Einmarkstück 1874, 50 Pfennig von 1907, zehn Pfennig von 1877 und fünf Pfennig von 1898 (in Norddeutschland: 1 Taler = 3 Mark). Es darf angenommen werden, dass der Amtmann Berkermann und seine Frau Maria, geborene Kampschulte, diese Geldstücke gestiftet hatten.
Die Neugestaltung des Marktes von 1998 hat den Verkehr vom Marktplatz weitgehend zurückgedrängt. Die Randbebauung mit ihren Arkaden und die Pflasterung des Platzes erinnert an einen mittelalterlichen Dorfplatz, dem allerdings noch ein Brunnen fehlt.
8. Literaturverzeichnis
Herne von Ackerstraße bis Zur-Nieden-Straße. Veröffentlichung des Stadtarchivs Herne Bd.1 Herne 1997
Keinhorst, Hermann: Eickel vom Jahre 774 bis zur Neuzeit. Wanne-Eickel 1965
Lührig, Heinrich: Wanne-Eickel in alten Ansichten. Zaltbommer (NL) 1992
www.iba.de
Autoren:
Anna Manderfeld (HBFG 12 A/ B; 2006)
Miron Stanzl (HBFG 12 A/ B; 2006)
Engelbert Wührl